Im Bild: Thijs Zondag (links) und Tjeerd Postma (rechts). © Wunderline
Tjeerd, wie blickst du auf die vergangenen Jahre als Projektleiter zurück?
Tjeerd: „In allererster Linie haben die letzten 7 Jahre, in denen ich für das Wunderline-Projekt gearbeitet habe, unglaublich viel Spaß gemacht. Sowohl mit dem Wunderline-Team aus der Provinz Groningen als auch mit den deutschen Partnern. Ein internationales Projekt wie dieses ist nie wirklich fertig, und es gibt auch keine Blaupause. Es ist ständig auf der Suche nach Lösungen. Ich persönlich finde das sehr inspirierend und herausfordernd."
Was hast du dabei am meisten gelernt?
Tjeerd: „Die Anwendung des strategischen Stakeholdermanagements in Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern. Zum Beispiel mit den Kommunen entlang der Strecke, mit dem Netzwerk Anschlussmobilität. Das war wirklich etwas Neues für mich, aber für mich ist es eine der tragenden Säulen des Erfolgs dieses Projekts. Ich habe auch festgestellt, dass die Bedeutung eines europäischen Zuschusses einen enormen positiven Druck auf das Projekt ausübt. Man muss Ergebnisse vorweisen, um Folgefinanzierungen zu erhalten, und das bringt die Leute dazu, schneller zu handeln. Ohne den EU-Zuschuss hätten wir wahrscheinlich nie so schnell eine Vereinbarung unterzeichnen können.“
Thijs, worauf möchtest du dich in der kommenden Zeit konzentrieren?
Thijs: „Zunächst einmal darauf, Baustufe 1 so gut wie möglich innerhalb des Budgets, des Zeitplans und des Rahmens abzuschließen. Außerdem wollen wir gemeinsam mit Niedersachsen, Bremen und allen anderen Beteiligten eine klare und realistische Perspektive für die Fortführung des Projekts nach 2024 (Baustufe 2) erarbeiten. Ob dies mit einem Direktzug oder in einer anderen Form geschehen wird, das müssen wir natürlich gemeinsam erarbeiten. Auf jeden Fall sind das zwei wichtige Aufgaben für die nächste Zeit."
Die Baustufe 1 soll Ende 2024 abgeschlossen sein, und die Züge werden wieder über die Friesenbrücke fahren. Wie sehen die Pläne für die Zeit danach aus?
Tjeerd: „Die Baustufe 1 ist ziemlich teuer geworden, vor allem in Deutschland. Und auch die Baustufe 2 ist ein großer Kostenfaktor. Die derzeitige Finanzierungsstrategie ist nicht mehr tragbar. Gemeinsam mit den deutschen Partnern müssen wir ein schrittweises Vorgehen für die Baustufe 2 prüfen."
Thijs: „Ja, es ist eine gemeinsame Aufgabe, die Baustufe 2 neu zu gestalten. Wir stellen fest, dass in der aktuellen Studie über einen direkten Zug manchmal der Eindruck entsteht, es handele sich um einen Zug, der an der gesamten Region vorbeifährt. Dieses Bild ist falsch. Es ist ein Zug, bei dem man zwischen Groningen und Bremen nicht mehr umsteigen muss. Es ist wichtig, dieses Bild klarzustellen, damit alle an dem Projekt Beteiligten die gleichen Ausgangspunkte haben.“
Tjeerd hat bereits erwähnt, dass die Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern sehr gut ist. Was ist dabei der Erfolgsfaktor?
Tjeerd: „Eine erfolgreiche Zusammenarbeit steht und fällt mit guten Kontakten. Ohne regelmäßig miteinander zu sprechen und sich zu sehen, kommt ein solches Projekt nicht voran. Vorzugsweise im wirklichen Leben, denn hinter dem Bildschirm bleibt es meist sachlich. Letzten Sommer ist der niedersächsische Staatssekretär nach unserer Lenkungsausschusssitzung mit uns auf die Terrasse gegangen. Das sind die Momente, die man nicht vergisst! Oder wenn man feststellt, dass man mit einem niedersächsischen Kollegen die Vorliebe für einen guten Whisky gemeinsam hat. Diese persönlichen Gespräche ergeben sich außerhalb des Projekts und tragen definitiv zu einer angenehmen Zusammenarbeit bei."
Thijs: „Dem kann ich nur zustimmen. Was übrigens auch geschätzt wird, ist, dass wir Niederländer bei den Treffen Deutsch sprechen. Schließlich möchte man wichtige Entscheidungen lieber in seiner Muttersprache treffen. Dass ich so intensiv Deutsch sprechen sollte, als ich gerade erst in das Projekt eingestiegen bin, war eine ziemliche Herausforderung, aber es läuft wirklich gut."
Was bedeutet die Wunderline für die Gemeinden entlang der Bahnlinie?
Thijs: „Die Wunderline ist nicht nur ein Zug. Die Wunderline ist ein grenzübergreifendes Mobilitätskonzept, das mehrere Zugverbindungen umfasst. Genauso wichtig ist aber, dass die Bewohner der Gemeinden die Bahnhöfe gut erreichen können. Deshalb verbessern wir auch die Anbindung und Erreichbarkeit der Bahnhöfe. Außerdem arbeiten wir mit den beteiligten Gemeinden zusammen, um die Bahnhöfe gemütlicher zu gestalten, damit die Wartezeit angenehmer wird und man zum Beispiel einen Kaffee oder einen Snack zwischendurch bekommen kann. Die Gemeinden entlang der Strecke werden davon profitieren, denn ihre Einwohner werden bald schneller, bequemer und einfacher zwischen Groningen und Bremen reisen können.
Welche Bedeutung hat das für die Provinz Groningen?
Tjeerd: „Die Stärkung der Wirtschaftsstruktur der gesamten nördlichen Grenzregion. Wir bieten den Bewohnern eine Alternative zur Nutzung des Autos, was angesichts der aktuellen Klimaentwicklung und der hohen Energiepreise noch wichtiger ist."
Thijs: „Dazu bekommen die Einwohner der Provinz auch interessante Anschlüsse in Deutschland an ein internationales Schienennetz. Von anderen (großen) Städten in Deutschland wie Berlin bis nach Skandinavien. Das macht das Studieren und Arbeiten jenseits der Grenze attraktiver und ist ein wichtiger Impuls für Tourismus, Kunst und Kultur."
Was erwartet ihr von einem/r neuen Regionalminister/in, der/die Mitte dieses Jahres die Nachfolge von Fleur Gräper-van Koolwijk antritt?
Tjeerd: „Ich hoffe wirklich, dass wir Verwaltungsbeamte bekommen, die genauso engagiert sind wie Fleur Gräper und Berend Lindner, der vorherige Staatssekretär von Niedersachsen. Politiker, die auch sagen, dass wir weitermachen müssen und unser Projekt von ganzem Herzen unterstützen. Ich würde mir wünschen, dass die Wunderline in der Provinz wieder in den Koalitionsvereinbarung aufgenommen wird. Gerade mit der Stärkung einer Lelyline-Ambition muss man dafür sorgen, dass die Wunderline einen Schritt weiter kommt. Ich wage zu sagen: ohne Wunderline, keine internationale Lelyline!"
Thijs: „Ich hoffe auch, dass die neue Provinzregierung wieder seine volle Unterstützung für die Weiterentwicklung der Wunderline geben wird. Auf jeden Fall wird der/die neue Regionalminister/In bald einen schönen Meilenstein erleben, wenn die Baustufe 1 abgeschlossen ist und die Friesenbrücke wieder eröffnet wird."
Abschließend, Tjeerd, was möchtest du deinem Nachfolger mit auf den Weg geben?
Tjeerd: „Ich habe gehofft, dass Sie diese Frage stellen würden! Ich sage immer: Auch wenn wir Techniker sind, besteht unsere Arbeit zu 80 % aus Psychologie und zu 20 % aus Inhalt. Der Inhalt der Arbeit muss natürlich stimmen, aber es muss Spaß machen und man soll es nicht zu schwierig machen. Auch wenn es manchmal Rückschläge gibt. Wenn man Spaß an der Arbeit hat, überträgt sich das auch in kreativen Lösungen und auf den Rest des Teams."
Thijs: „Dank der Arbeit von Tjeerd in den letzten Jahren läuft das Projekt eigentlich schon wie ein Zug, um mal bei der Eisenbahn zu bleiben. Die Übernahme des Staffelstabs fühlt sich wie ein warmes Bad an. Der Zug wird weiterfahren, auch nach 2024 und dann über die neue Friesenbrücke von Groningen nach Bremen!"